Erster Besuch: Montag, 21. Oktober 2002
Peter Baumgartner, Metallkünstler


Die «verschwundene» Werkstatt
Bagger und Lastwagen sind immer noch an den Aufräumarbeiten, als ich zum Technopark fahre.
Peter Baumgartner empfängt mich in der ehemaligen Betriebsschlosserei der Textilwerke
Blumenegg. Hier konnte er provisorisch unterkommen bis abgeklärt ist, ob er seine Werkstatt
jemals wieder benutzen kann, oder ob sie abgerissen werden muss.
Er trägt einen «Blaumann» und ein Beret und lacht: «Kommen sie zuerst mit mir zu meinem
früheren Arbeitsplatz». Wir gehen nach Draussen. Die Türe klemmt. Das Holz ist nass geworden
und hat sich verzogen. (Alle Türen klemmen.)
«Hier wuchs ein Baum. Darunter standen Tische und Stühle und ein Tischtennistisch. Daneben
befand sich ein voller Eisencontainer. Ein kleinerer Schopf mit Wellblechdach war auch noch
hier», erzählt Peter Baumgartner und zeigt auf eine graue Ebene aus halbwegs getrocknetem
Schlamm, Steinen und Geäst. Unglaublich! Die Werkstatt ist jetzt eine windschiefe Hütte, die
Türe verschwunden, ein Teil des Hauses ragt ins Nichts hinaus und unten rauscht ganz harmlos
der Fluss. Die Goldach hat das Fundament unterspült.
Wir schauen ins Innere der Bude. «1.60 Meter hoch stand hier das Dreckwasser. Meine
Arbeiten, meine Maschinen, meine Skulpturen, mein Material» berichtet der Künstler weiter, und
lächelt etwas schief, «alles verschwunden».

«Retten, was noch zu retten ist»
«In jener Nacht im September war ich an der Hochzeit eines Kollegen. Als ich frühmorgens nach
Hause ging, wunderte ich mich, dass noch so viele Leute unterwegs waren. Ich wusste ja zu
dem Zeitpunkt nicht, was geschehen war. Ich bekam dann das Aufgebot zum Feuerwehreinsatz
und vernahm, dass die Goldach über die Ufer getreten sei. Sofort raste ich per Velo Richtung
Technopark. Schon bei der Kirchenecke wollte man mich nicht durchlassen. Ich fuhr aber
trotzdem weiter. Kadi Wohnlich kam mir entgegen: «Du häsch kei Bude meh», rief er mir zu.
Das Bild, das sich mir dann bot, war wirklich ganz schrecklich. Holz und Steine hatten das
Eingangstor weggerissen. Unten toste schaurig das Wasser. Ich watete ins Innere und
stocherte und grübelte und fand zum Glück etwas ganz Wichtiges: Die Metall–Spitze für die
neue Melodiafahne, die ich gestaltet hatte und die fürs internationale Musikfest unbedingt
gebraucht wurde. Ich rettete sie aus der trüben, gräulichen Brühe und ging an die Arbeit als
Feuerwehrmann, vorerst noch nicht bei mir selber sondern dort, wo es am allernötigsten war».

Aufräumarbeiten
Als am Montagmorgen das Wasser etwas zurückgegangen war, begann das grosse Aufräumen
bei Peter Baumgartner. Freunde und Kollegen riefen spontan an und halfen beim Putzen und
Suchen und Raustragen. Diese beeindruckende, unkomplizierte Hilfsbereitschaft, das war für
ihn ein ganz tolles Erlebnis. Da gab es trotz allem Übel auch richtig schöne Momente.
Zimperlich konnte man bei dieser Arbeit nämlich nicht sein. «Es war schon recht «heavy» und
«gruusig», der Matsch und all' die toten Fische, diese grässliche Drecksarbeit», veranschaulicht
der Metallkünstler.
Etliche Skulpturen oder Skulpturenteile konnten gerettet werden. Einige der Werke sind für
immer verschwunden. Jetzt müssen noch die Maschinen in mühevoller Kleinarbeit auseinander
genommen, gereinigt und wieder zusammengesetzt werden. Der Schlamm sitzt in jeder noch so
kleinen Ritze.

Und wie geht's weiter?
Peter Baumgartner ist recht zuversichtlich. Jetzt kann er in seinem Provisorium endlich wieder
einigermassen normal arbeiten. Er steht zwar unter Termindruck. Der Arbeitsausfall von gut
einem Monat macht sich schmerzlich bemerkbar. «Irgendwie schaffe ich das schon», meint er
und lacht. «Aber schreiben sie nicht nur über das Unwetter. Berichten sie auch über meine
Arbeit als Metallkünstler!», mahnt er mich. Auf meine Entgegnung, dass das den Rahmen dieses
Artikels sprengen würde und dass doch jede und jeder den Metall–Schmetterling beim Rathaus
kennt, zuckt er nur die Schultern.
Zur Zeit meines Besuches bei ihm bereitet er zusammen mit seiner Schwester Doris Baum–
gartner–Keel eine Ausstellung im Adler in Mörschwil vor. «Metall und Blumen» kann noch bis zum
15. Januar zu den Restaurantöffnungszeiten besichtigt werden.

Gabrielle Hanselmann Wellenbrecher Nov. 2002